Freiberufler und Gewerbetreibende: Nachkalkulation des Finanzamts
Nachkalkulation des Finanzamts
Unter der Überschrift „Schwarze Korken" konnten die Leser von 'Spiegel Online' vor einigen Tagen lesen, dass Winzer in Rheinland-Pfalz Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben sollen. Auf die Spur kam ihnen die Steuerfahndung, weil angeblich festgestellt wurde, dass große Mengen Korken anonym vom Großhändler veräußert wurden. Einen Teil hatten die Winzer unter ihrem Namen bzw. über ihr Kundenkonto gekauft und einen weiteren Teil anonym gegen Barzahlung. Hierdurch sollte verhindert werden, dass die Flaschenverschlüsse im Wareneinkauf auftauchen und Betriebsprüfer diese mit den erklärten Verkäufen abgleichen können. Anhand von Quittungsdurchschlägen und weiteren Unterlagen soll die Finanzverwaltung ermittelt haben, welche Winzer diese zusätzlichen Kontingente gekauft hatten. Mit den Ermittlungen wurde ganz offensichtlich eine Lawine ausgelöst. In insgesamt 87 Fällen soll bei Winzern im südwestdeutschen Raum Steuerhinterziehung nachgewiesen worden sein. Der Autor des Artikels hat anscheinend ausschließlich Informationen der Finanzverwaltung verwendet. Niemand weiß, wie realistisch die genannten Verkürzungsbeträge tatsächlich sind oder ob es sich um die im Kollegenkreis schon bekannten völlig überzogenen Schätzungen der Steuerfahndung handelt. So sind wohl nur Laien von diesem Beitrag beeindruckt. Steuerfachleute kennen solche oder ähnliche Konstellationen schon lange unter dem Begriff der doppelten Verkürzung: Ein Unternehmer kauft Ware oder Verpackungsmaterial gegen Barzahlung ohne buchhalterische Erfassung der Rechnung ein und erfasst die hierauf entfallenden Einnahmen ebenfalls nicht.
Schwachpunkt bei dieser Vorgehensweise ist jedoch der Lieferant bzw. Großhändler. Auch dieser wird vom Finanzamt geprüft. Dabei wird ein ganz besonderes Augenmerk darauf gerichtet, ob die Aufzeichnungspflichten nach §144 AO vollständig erfüllt sind. Diese Vorschrift verpflichtet Unternehmer, die regelmäßig Waren an andere Unternehmer zur Weiterveräußerung oder zum Verbrauch als Hilfsstoff veräußern, unter anderem den Namen und die Anschrift des Abnehmers aufzuzeichnen. Diese Vorschrift zielt darauf, die doppelte Verkürzung zu verhindern. Ein Verstoß kann mit einer Geldbuße bis zu 5.000€ geahndet werden (§ 379 Abs. 4 AO). Für den betroffenen Lieferanten kann die Sache jedoch noch deutlich teurer werden. Weist ihm das Finanzamt nach, dass er die notwendigen Aufzeichnungen nur deshalb unterlassen hat, um seinen Kunden eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen, so kann er wegen Beihilfe bestraft werden. Schon vor einigen Jahren waren hiervon mehrere Brauereien betroffen, die in großem Umfang Gastwirte mit Bier beliefert hatten, das nicht auf dem offiziellen Kundenkonto erfasst wurde. Noch unangenehmer wird es für Lieferanten, wenn ihr Kunde die verkürzte Steuer nicht nachzahlen kann. Sie können dann vom Finanzamt nach § 71 AO für dessen Steuern und die hierauf entfallenden Zinsen in Haftung genommen werden. Auf diese Gefahr möchte ich Sie, als meine Mandanten einmal in allgemeiner Form hinweisen, unabhängig davon, ob Sie auf der Lieferanten- oder Kundenseite sind.